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Dipl.-Wirtschaftsingenieur Heiko Mell

Bewerbungsgespräche: Kollateralschäden vermeiden!
(Quelle: Karriereberatung VDI-Nachrichten ; Autor Heiko Mell, www.mmcberatung-heikomell.de)

Liebe junge Akademikerin, lieber junger Akademiker, da haben Sie nun eine - halbwegs - erstklassige Schulbildung, studiert und über ein für Laien kaum aussprechbares, geschweige denn verständliches Thema eine längere Diplomarbeit geschrieben. Vielleicht haben Sie dann auch noch promoviert - weitere drei bis fünf Jahre in anspruchsvoller Umgebung mit anspruchsvollen Themen und deren wissenschaftlicher Vertiefung verbracht und Ihre geistigen Fähigkeiten geschult. Und es ist oft eine Freude, mit Ihnen Vorstellungsgespräche zu führen. Weil Ihre erkennbare Intelligenz, Ihr Brennen auf Bewährung in der Praxis und Ihr Optimismus zusammen einen guten Gesamteindruck ergeben, von Ihren erworbenen fachlichen Grundlagen ganz zu schweigen.

Insofern sind Sie wie ein Schütze, dem man beigebracht - oder der die Fähigkeit erworben - hat, seine Waffe zu heben und sein Ziel zu treffen. Aber, und das ist ein Problem, das Ziel zu treffen ist noch nicht alles! Einem Jäger z. B. wird in seiner Ausbildung sehr sorgfältig beigebracht, das man nicht etwa nur einseitig und ohne Rücksicht auf Verluste an seine Aufgabenstellung herangehen darf: "Hirsch sehen, Gewehr hoch, Hirsch tot und fertig" - das reicht absolut nicht. Vor dem Schuss(!) ist u. a. sehr sorgfältig zu prüfen, ob im Schussfeld nicht irgendwelche "Nebenziele" sind, die man ja auch "erwischen" könnte. Harmlose Wanderer, Pilzsammler, Waldarbeiter oder Oberförster, beispielsweise. Und zwar solche, die man sieht und vor allem solche, die man nicht sieht, die aber in Schussrichtung denkbar sind, weil etwa hinter dem Gebüsch ein Wanderweg vorbeiführt.

Von solchen denkbaren "Kollateralschäden" (wie es nun nicht die Jäger, aber wiederum die Militärs nennen) haben Sie, liebe Schützinnen und Schützen, offensichtlich nie gehört. Also ballern Sie Ihre Aussagen ins Gespräch wie ein durch die Prüfung gefallener Jägeranwärter seine Schrotladungen ins Gebüsch hätte schießen wollen. Nein, Sie ballern nicht nur in ein Gebüsch, auch noch in bester Absicht.

Sie wollen jetzt Beispiele. Warum eigentlich? Bei Ihren geistigen Fähigkeiten sollte man eigentlich eine Denksportaufgabe daraus machen. Aber natürlich bekommen Sie dann doch Ihre Beispiele:

1. Sie werden angesprochen auf eine schlechte Abiturnote: "Nun, man konzentriert sich in dem Alter ja nicht nur auf die Schule, da teilt man seine Energie eben auf."

Kollateralschaden: "Man"? Wer ist "man"? Der Gesprächspartner hat damals auch nach Mädels geschaut und Bier getrunken und Wind gesurft. Aber er ist mit 130 % gefahren und hat zusätzlich hervorragende Noten. Indem Sie Ihre Verluste sozialisieren ("alle tun das"), um sich reinzuwaschen, beleidigen Sie ihn oder seinen Sohn(!), der gerade in der Situation steckt. Also: "Ich war faul!"

2. Berufliches Langfristziel? Sie antworten wie aus der Pistole geschossen: "Eines Tages, wenn ich die Leistung zeige, will ich Vorstand werden."

Nebenwirkung a: Sie sagen das zu einem fast 60-jährigen Bereichsleiter. Auf den wirkt es als hätten Sie gesagt: "Nun, auf jeden Fall will ich mehr werden als du je erreicht hast und je erreichen wirst." Das betrübt ihn.

Nebenwirkung b: Wenn das eine GmbH ist, hat die gar keinen Vorstand. Also haben Sie sinngemäß gesagt: "Bei dem Saftladen hier bleib ich ohnehin nicht lange." Das betrübt Ihren Gesprächspartner irgendwie auch.

3. Aus Gründen, die nichts mit der Moral, aber mit zu erwartenden Umzugsproblemen u. a. zu tun haben, werden Sie nach dem Familienstand ("ledig") gefragt und dann, ob Sie mit jemanden zusammenleben, der also auch seinen Wohnort wechseln müsste. Sie antworten: "Ja, es gibt da eine Person."

Schon rattern die "Zahnräder" im Kopf des Gegenüber. "Einen Mann", hätte im Normalfall eine Frau, "eine Frau", hätte im Regelfall ein Mann geantwortet. "Eine Person" soll wohl zart andeuten, dass dem nicht so ist. Schön, der Papst ist dagegen, aber sonst? Alles in Ordnung so weit, der künftige Chef mag das nun mögen oder nicht, das muss er selbst entscheiden.

Drei Sätze später ergibt sich aus einer anderen Antwort, dass jene "Person" durchaus dem - wie sagt man das korrekt? - Regelfall entspricht und schlicht dem anderen Geschlecht angehört. Warum dann "Person"? "Was haben Sie sich dabei gedacht?" Na, was schon: "Nichts." Man erschießt aber keinen Oberförster und hat sich nichts dabei gedacht. Man denkt hingegen immer. Permanent. Kontinuierlich. Stets. Überhaupt in wichtigen Gesprächen. Man hat als Akademiker niemals nichts gedacht.

4. Die junge Dame ist kompetent, nett, engagiert, promoviert, macht einen jener seltenen rundum tadellosen Eindrücke.

Im Gespräch ergibt sich, dass da ein Mann ist, der dann am neuen Wohnort einen neuen Job brauchte - aber das sei kein Problem. Weil, er sei "im Hotel- und Gaststättengewerbe" (ich weiß, dass man "weil" so nicht gebraucht, aber hier passt es so schön).

Hm. Wer nur A sagt, riskiert, dass der Gesprächspartner über B spekuliert. Ich bin so einer. Und schon ist der Gedanke da: "Oberkellner mit südländischem Charme - und ihr ist es peinlich." Weil, sonst reden die Damen ja gern über ihren Freund.

Aber wozu ist man über dreißig Jahre lang Berater: Die Leute sagen nicht, was als Ergebnis eines Denkprozesses gelten kann, sie ballern ihre Aussagen erst ins Gebüsch und sagen "huch", wenn dort jemand präsent gewesen ist. Also frage ich. Nachsichtig, weil (diesmal richtig gebraucht, keine dichterische Freiheit mehr) sie meine Tochter sein könnte und auch von sich selbst immer als "Mädel" spricht ("Mädel, hab ich zu mir gesagt ..."). "O nein", sagt sie, "er ist Geschäftsführer." Kleiner Kollateralschaden, sonst nichts. Aber mit "1" promoviert.

5. Er ist Ingenieur. Auch mit Promotion, auch hochintelligent. Trifft sich gut, genau das wollten wir. Aber, sagt er, eigentlich wollte er Arzt werden. Ging aber irgendwie nicht, Abitur war nicht gut genug oder so.

"Hiermit teile ich Ihnen mit, dass der Ingenieurberuf für mich nur zweite Wahl ist", sagt dieser Bewerber also und will eine Position mit vollem Gehalt und das Wohlwollen eines Chefs, der natürlich auch Ingenieur ist. Vielleicht sogar aus Leidenschaft. Da freut der sich doch gleich doppelt. Und - wie immer in solchen Fällen - nicht nur über die verkündeten Tatsachen, sondern auch über den Mangel an taktischem Geschick, das da gezeigt wird.

6. Nach dem Grund für die Wahl seiner Fachrichtung sagt er: "Na auf keinen Fall wollte ich BWL machen, das macht ja jeder, dem nichts einfällt."

Das hat sich der Zuhörer auch schon gedacht; aber da er - Personalchef - sich selbst so entschieden hatte und jetzt sogar seine Tochter, fühlt er sich fast ein wenig angegriffen. Das ist einer der möglichen Wege, das Wohlwollen von Entscheidungsträgern zu erringen: Motzen Sie den Kerl an, machen Sie ihn klein oder fertig.

7. Und dann war da noch der Satz in einem Brief an mich mit der dringenden Bitte um (kostenlose) Hilfe: "Ich lese Ihre Tipps in der Karriereberatung regelmäßig, von denen mir einige als durchaus brauchbar erscheinen."

Aber, so lese ich heraus, viel taugt das insgesamt nicht. So etwas motiviert mich dann ganz ungemein.

Und die Moral von der Geschichte: Ganz kurz bevor man etwas tut, denkt man. Letzteres hat man ja schließlich nun lange genug trainiert. Es kann doch kein Geheimnis sein, dass ein Oberförster in jenem Busch stehen könnte, in den man mit dem Gewehr hineinzielt.

Es geht bei all diesen Beispielen nicht darum, wie "schlimm" die unbedachten Äußerungen jeweils waren. Es geht dabei um die Frage: Was tut der Bewerber als Nächstes, im Job? So wie der Polizist von mir nicht hören will, es sei ja niemand von der Seite gekommen, als ich das rote Ampelsignal überfuhr. Auch wenn gar nicht in jedem Gebüsch ein Pilzsammler steht: Nachschauen müssen Sie im Zweifelsfall dennoch. Oder damit rechnen, dass da einer sein könnte.

Bewerbung: Eine Absage ist kein Gottesurteil
(Quelle: Karriereberatung VDI-Nachrichten ; Autor Heiko Mell, www.mmcberatung-heikomell.de)

Das Ziel der Bewerbung ist die Einladung zum Vorstellungsgespräch. Kommt nicht sie, sondern eine Absage, haben Sie ein Problem. Sie wissen zunächst nur nicht, worin das besteht.

Es ist unter Bewerbern üblich, auf Absagen schulterzuckend zu reagieren: "Da kann man nichts machen, ich habe dort eben nicht hingepasst." So als sei die negative Entscheidung des Unternehmens oder Beraters ein Gottesurteil: definitiv, unabänderlich, korrekt und eben durch die nun einmal gegebenen Fakten bedingt.

Das jedoch ist absolut nicht so! Richtig ist: Wenn Ihre Bewerbungen mit Absagebriefen zurückkommen, haben Sie Fehler gemacht. Alles andere ist Augenwischerei.

Diese Fehler können höchst unterschiedlicher Natur sein:

- "Verwerfungen" in der beruflich relevanten Vergangenheit, dokumentiert durch den Lebenslauf und/oder Zeugnisse;

- Bewerbung um die falsche/unpassende Position;

- ungeschickte oder falsche Argumentation im Anschreiben, also ein schlechtes "Verkaufen" des eigenen Anliegens;

- falsches Setzen von Schwerpunkten in der Lebenslauf-Darstellung;

- Fehler beim Bewerbungsaufbau - von der "Mappe" bis zur Textlänge, von der Auswahl der Unterlagen bis zu fehlenden oder höchst überflüssigen Angaben, vom unangemessenen Foto bis zu sprachlichen Unzulänglichkeiten, die Ihr Bildungsniveau in Frage stellen.

Gemach. Gemach: Ich weiß auch, dass manche dieser Fehler zumindest jetzt Fakten sind, gegen die man vermeintlich nun nichts mehr tun kann. Aber zunächst gilt diskussionslos: Sie müssen die Fehler in Ihrer Bewerbung erst einmal kennen, sonst geht gar nichts! Und genau daran hapert es erfahrungsgemäß sehr.

Vielleicht resignieren Sie wegen Ihrer scheinbar aussichtslosen Situation, die durch zwei kurze Dienstzeiten in den achtziger Jahren und ein schlechtes Zeugnis aus den Neunzigern gekennzeichnet ist - scheitern aber in Wirklichkeit an ungeschickten Formulierungen hinsichtlich der Gründe für den jetzt anstehenden Stellenwechsel. Oder Sie wissen nicht, dass die Argumentation im Anschreiben in der von Ihnen gewählten Art eigentlich ausreichend durchdacht ist - wäre da nicht eine "Belastung" des Werdeganges durch von Ihnen längst als unproblematisch eingestufte "Vorkommnisse" aus früheren Jahren. So aber hätten Sie sich mehr Mühe geben und sorgfältiger formulieren müssen - weil der Leser, vorgeprägt und misstrauisch geworden durch jene "alten Geschichten", alles aus späteren Zeiten förmlich "mit der großen Lupe" betrachtet, was er sonst einfach abgehakt hätte. Und auch die "harten" Fakten, die nicht so toll sind, kann man ggf. noch etwas "weniger falsch" machen; durch eine Erklärung hier, ein geschicktes Unterdrücken da ...

Wie auch immer; Sie müssen wissen, welche Fehler Sie in den Augen des Bewerbungslesers gemacht haben, wo er kritische Punkte sieht. Dann, aber eben auch erst dann, können Sie an einer aussichtsreichen Strategie arbeiten, die es - fast - immer gibt. Aber ohne das Wissen um das, was Sie falsch gemacht haben, gibt es keinen Lösungsansatz. Dieses Wissen vermittelt übrigens kaum der Absender der Absage, da müssen Sie sich bei Bedarf schon um fachkundige Unterstützung kümmern.

Es ist schon erstaunlich, wie selten Bewerber nach den wahren Ursachen für Absagen fragen. Es scheint fast, die Akzeptanz von "Gottesurteilen" fällt ihnen leichter ...

VDI nachrichten Nr.9, 28.02.2002

Ingenieurkarriere: Wollen, Können, Regeln kennen
(Quelle: Karriereberatung VDI-Nachrichten 31.1.2003 ; Autor Heiko Mell, www.mmcberatung-heikomell.de)

Die einfachsten Fragen sind ja oft die besonders tückischen. So auch diese: "Wie macht man denn nun Karriere?" Und: "Lassen Sie die Details ruhig einmal weg, erläutern Sie das Prinzip." Sie ahnen es: Junge Menschen fragen so. Wer hingegen schon Geschäftsführer ist und vom Konzernvorstand träumt, geht nicht so furchtbar direkt auf den Kern der Sache los.

Aber die Frage ist ja nicht etwa unberechtigt. Und eine Antwort muss es irgendwie geben. Schließlich gilt: Man kann alles erklären (ausgenommen die Politik unserer Regierung, aber das ist eine andere Baustelle).

Alsdann:

1. Sie müssen Karriere machen wollen.

Damit fängt alles an. Karriere muss Ihr Ziel sein; Sie wollen Macht, Entscheidung, etwas bewegen; ein Berufsleben ohne Führungsfunktion ist für Sie keine Lösung (bedenken Sie: Geführt wird immer; es geht nur darum, ob Sie dabei sind). Sie räumen dem Beruflichen neben dem Privaten einen hohen Stellenwert ein, kleben nicht an Wiesweiler West. Weil Sie wissen, dass man für etwas, das man will, auch einen angemessenen Preis zahlen muss.

2. Sie müssen das erforderliche Können mitbringen.

Es gibt dafür immerhin Indizien, die auch schon vor dem Berufseintritt darauf hindeuten: So kann es keinesfalls schaden, schon während der Schule, der Ausbildung, während des Studiums und/oder der Promotion den Kopf aus der Masse gesteckt und mehr als andere mit gleicher Ausgangsbasis erreicht zu haben. Sie müssen gern Entscheidungen treffen, auch wenn die Informationsbasis schwach ist. Sie sind überzeugt, dass auch andere (Lehrer, Professoren, Kollegen, Chefs) bei Ihnen nicht nur gute Leistungen, sondern auch Potenzial für einen (weiteren) Aufstieg sehen. Und Sie stehen zu Begriffen wie "Ehrgeiz" und "Elite"" positiv. Erfolgreiches Engagement in führender Position(!) im außerschulischen, außeruniversitären Bereich wäre ebenfalls ein gutes Zeichen. Sie setzen sich in Diskussionen oft durch, andere folgen Ihnen. Sie sind fähig, für Ihre Ziele auch zu kämpfen (ohne Kampf kein Sieg - nicht einmal im Tennis oder Fußball).

3. Sie müssen die Regeln dieses "Spiels" kennen - und beachten.

Denken Sie auch hier wieder an Wettkämpfe im Sport: Nur wer die Regeln kennt und danach handelt, hat eine Chance. Wer siegen will, muss sich um diese Kenntnisse kümmern, muss lesen, fragen, analysieren. Wobei es gleichgültig ist, was Sie von einzelnen Regeln halten - leben und arbeiten müssen Sie danach. Z. B. nach dieser: Ein guter Mitarbeiter im Sinne des Systems ist einer, den seine Vorgesetzten dafür halten. Sie müssen bereit sein, taktisch geschicktem Vorgehen eine hohe Priorität einzuräumen und "die Sache" auch einmal zurückzustellen. Ihr Partner muss "mitspielen". Sie dürfen nur bedingt Individualist sein wollen, "Anpassung" darf kein Schimpfwort sein. Und Sie sind nicht der Mensch, der ständig bei Autoritätspersonen (Lehrer, Bundeswehr, Professoren, Chefs) aneckt.

4. Und wenn das alles stimmt, macht man Karriere?

Nicht zwangsläufig - aber dann haben Sie eine sehr solide Chance.

5. Wo bleiben die Top-Leistungen im fachlichen Bereich?

Sie sind selbstverständlich, beweisen oder bewirken allein aber nichts. Fachlich hervorragende Leistungen sind so wichtig wie gesunde Beine für einen Weltklasse-Tennisspieler: Ohne sie läuft gar nichts - und mit gesunden Beinen allein werden Sie nicht einmal Vereinsmeister in Wiesweiler-West. Sie sehen, was an der Hochschule alles nicht gelehrt wird (dafür heißt sie auch nicht "Karriere-Institut". Im übertragenen Sinne wäre sie eine Art "Lehrinstitut für gesunde Beine e. V.", was nicht negativ gemeint ist: Nur in einem Volk mit sehr vielen sehr gesunden Beinen können sich hinreichend viele Weltklasse-Tennisspieler entwickeln. Warum habe ich jetzt bloß den Verdacht, irgendjemand wird sich über diese Bemerkung ärgern?).

Muß der Job Freude machen ?

"Ich will", so umreißen jüngere Bewerber oft ihre Zielsetzung, "nur eine Arbeit tun, die mir Freude macht." Das ist ein großes Wort, gelassen ausgesprochen. Und irgendwie empfinde ich so hohe Anforderungen immer als Drohung: "Macht gefälligst, dass ich Freude habe, sonst ..."

Jemand hat mir erzählt, in einer großen Tageszeitung hätte eine Karikatur gestanden: Der Vater steht dort vor seinem Sohn und moniert in etwa: "Was hast du? Spaß an der Arbeit? Dann machst du irgendwas falsch!" Einmal abgesehen vom Unterschied zwischen Freude und Spaß (eine Spaßgesellschaft sind wir mitunter fast, eine Freudengesellschaft hat noch niemand ausgerufen): Der Vater dort hätte ich sein können.

"Ich will nur Mammuts jagen, wenn mir das Freude macht", sagte der Steinzeitmensch - und ist vermutlich verhungert. Von dem stammen wir also nicht ab. Eher von seinem Sippenkameraden, der auch dann jagte, wenn damit gerade keine Freude verbunden war. Man musste schließlich essen. Nun haben wir entwickelt - uns allgemein weiter und Maslow seine Bedürfnishierarchie (bei der unten an der breiten Basis Grundbedürfnisse wie Essen und oben an der schmalen Spitze hehre Ziele wie Selbstverwirklichung stehen). Wir leben überwiegend vom Ertrag unserer Arbeit, dieselbe dient - wie schon in der Steinzeit - zuerst der Befriedigung von Grundbedürfnissen. Dann erst kommen andere Aspekte zum Zuge.

Schon daraus folgt, dass der Job nicht nur Freude machen kann, ein großer Teil des täglichen Tuns dient ausschließlich erst einmal der "nackten" Existenzsicherung. Schön, wenn man auch daran Freude haben kann. Aber jeden Morgen anzutreten mit dem Wunsch, stets nur Dinge zu tun, die rundum Spaß machen, wäre ein bisschen viel verlangt vom Leben.

Als lebenserfahrener Zuhörer hat man bei der Kenntnisnahme von "Freude" an erster Stelle einer Forderungsskala leicht ein Gefühl als hätte man auf eine Zitrone gebissen. Nicht zuletzt die Lebensläufe sehen oft so aus als hätte der Betroffene sich gefragt: "Habe ich an diesem Arbeitsplatz täglich die optimale Freude? Nein! Also weg hier." Und der nächste Job ist natürlich auch nicht besser, die Konsequenz "weg" ist wieder dieselbe.

Habe nun ich als Berater eigentlich Freude an meiner Tätigkeit? Grundsätzlich ja. Nur: Es gibt ganze Tage, da stelle ich mir die Frage lieber nicht. Und auf eine Reihe von Aspekten könnte ich, wenn Sie so fragen, ganz verzichten. Und andere, wo wir schon dabei sind, könnte man gern völlig anders gestalten. Und wenn ich jetzt akribisch prozentual ermitteln müsste, welcher Anteil an meiner Tätigkeit ..., dann könnte mich (und Sie) das erschrecken.

Aber: Insgesamt überwiegt die Freude doch. Weil ich gern arbeite, Leistung erbringe, Probleme löse, mich mit Anforderungen auseinandersetze. Ich hatte Freude an der Schule, am zweijährigen Maschinenbau-Praktikum, am Studium, an meiner Tätigkeit im Konzern und jetzt als Berater. Und ich hätte es auch, wenn ich ein Lager in der Möbelindustrie leiten müsste, beispielsweise. Und daher glaube ich, dass es eine Frage der inneren Einstellung ist - und dass die Forderung des Bewerbers, der angestrebte Job müsse ihm Freude machen, ins Leere geht. Falscher Denkansatz, verstehen Sie? Er muss sie bringen, die Freude, nicht fordern.

Handy und Bewerbung - was einem so alles passieren kann


(Quelle: Karriereberatung VDI-Nachrichten Nr. 21/2002; Autor Heiko Mell, www.mmcberatung-heikomell.de)

Klaus B. aus A., Akademiker, Ende 30, hat durchaus Karriereambitionen. Diese verfolgt er derzeit auf dem Weg über Bewerbungen. Bis dahin ist alles in Ordnung.

Klaus B. hat natürlich auch ein Handy, trägt das ständig mit sich herum und ist überall jederzeit erreichbar. Na schön, wenn er das unbedingt will, soll er.

Nun ergab es sich, dass zwei gestandene Männer gleichzeitig ein Bedürfnis überkam, allerdings jeweils ein völlig anderes:

Einer der beiden war Geschäftsführer desjenigen Unternehmens, bei dem sich Klaus B. beworben hatte. Dieser ranghohe Manager fand Gefallen an den Bewerbungsunterlagen und wollte den Kandidaten sprechen. Jetzt. Sofort. Ein Top-Manager eben. Just zu diesem Zeitpunkt musste Klaus B. eine öffentliche Toilette aufsuchen. Auch jetzt + sofort.

Da saß er nun, als das Handy klingelte und der Geschäftsführer am anderen Ende der "Leitung" war. Dessen Namen er nicht kannte, sich aber auch im Moment nicht notieren konnte. Weil es ihm an Papier mangelte. Also eigentlich gab es schon Papier dort, aber schreiben Sie mal auf jenem.

Dafür nahmen die Peinlichkeiten weiter zu. "Nebengeräusche" drangen aus den Nachbarkabinen - Spül- und andere Signale gelten kaum als passende Untermalung eines ersten Kontaktes beim Qualifizierungsprozess für eine Managementposition.

Als Trost: Gut, dass wir noch keine Kamera an jedem Handy haben und dass Duftübertragungen erst zum Standard der übernächsten Gerätegeneration gehören.

Ach ja, dann dröhnte noch ein Polizei-Martinshorn in das Gespräch hinein, so dass niemand mehr verstand, was der andere sagte.

In seiner Verzweiflung bat Klaus B. den Vorstand, ihm doch lieber eine E-Mail mit "schriftlicher" Darlegung seines Anliegens zu senden. Die las er dann später zu Hause.

Wie ich an dieser spannenden Angelegenheit teilhaben durfte? Nun ich kenne Klaus B. Und ich gelte als Mann für schwierige Formulierungen. Eine solche stand jetzt an; galt es doch, dem Bewerbungsempfänger einen Brief mit angeforderten Informationen zu senden und dort auch eine Erklärung oder Entschuldigung für die unmöglichen Begleitumstände des telefonischen Kontaktes zu finden. Das ist uns auch gelungen - aber ob der Geschäftsführer damit glücklich wurde, wissen wir derzeit noch nicht.

Und die Moral von der Geschicht''''? Wer auf sich hält, erlebt so was nicht. Wie Sie das vermeiden, ist Ihr Problem.

Manchmal fragen mich Leser, wie man "Format" bei Menschen erkennt. Hier ist eine mögliche Antwort: Solche Leute sitzen nie gerade auf einer öffentlichen Toilette, wenn man mit Ihnen telefoniert. Und wer immer erreichbar sein will, läuft Gefahr, mehr Schaden zu nehmen als Nutzen zu erzielen.